Als 1999 das neugewählte schottische Parlament – das erste seit 1707 – offiziell eröffnet wurde, sang Sheena Wellington eine egalitäre Ballade des schottischen Nationalbarden Robert Burns. Als das Parlament fünf Jahre später in sein neues Heim am Fuß der Royal Mile in Edinburgh einzog, war nicht nur ein gälischer Chor bei der offiziellen Feier mit von der Partie, sondern auch Eddie Reader, die zum Schluss der Feierstunde im nagelneuen Plenarsaal die schottische Nationalhymne sang – und nicht nur das Publikum, sondern auch die Abgeordneten reichten sich über Parteigrenzen hinweg die Hände und sangen aus voller Kehle mit.
Folk Music ist Teil der schottischen Tradition, Teil des schottischen Alltags – Highland Pipes, Pub Sessions, Harfen und Balladen sind untrennbar mit der schottischen Geschichte und Kultur verbunden. In Sammlungen wie der Athole Collection, den Highland Collections, den Marshall Collections, vor allem aber in der Liedersammlung von Gavin Greig und James Burke Duncan und in der britischen Sammlung der Child’s Ballads zeigt sich die reichhaltige und geschichtsträchtige Tradition schottischer Musik und schottischen Liedguts.
Und doch war die traditionelle Musik Mitte des 20. Jh.s stark von der Auszehrung bedroht, durch Auswanderung, das Aufkommen von Jazz und Pop, die Urbanisierung Schottlands – das angestaubte Erbe drohte in Vergessenheit zu geraten. Aber, wie in den USA mit Woody Guthrie und Pete Seeger und in Irland mit Séamus Ennis und Seán Ó Riada, so erlebte auch Schottland ein Folk Revival. Seine Geschichte, seine Protagonisten, die Hintergründe, die Einflüsse aus Amerika, die Rolle der ‚Fahrenden‘, und ein Überblick über Musik und Lieder werden von Ailie Munro in ihrem Buch The Democratic Muse: Folk Music Revival in Scotland (Scottish Cultural Press, 1996) diskutiert. Und spätestens seit diesem Folk Revival der fünfziger und sechziger Jahre – Hamish Henderson, Janey und Norman Buchan, Jeannie Robertson, Morris Blythman – sind die „Traditional Arts“ aus der schottischen Gegenwartskultur nicht wegzudenken. Damit das auch so bleibt, gibt es ein breitgefächertes Angebot für Nachwuchskünstler.
Vom Workshop bis zu Sommerschule und Akademie – die Royal Scottish Academy of Music and Drama (RSAMD) offeriert einen BA in ihrem „Traditional Music Course“, das National Piping Centre vergibt (in Zusammenarbeit mit der RSAMD) akademische Grade im Dudelsackspiel; das Plockton Centre of Excellence in „Traditional Music“ (unter Piper Dougie Pincock – ex Battlfield Band), das von der schottischen Regierung finanziell gefördert wird und 1992 an der Plockton High School an der Westküste seine Arbeit aufnahm (an der Schule, an der Schottlands berühmtester gälischer Poet des 20. Jh.s, Sorley MacLean, von 1956-1972 Schulleiter war); aber auch der Musikkurs an der Uni in Newcastle – all diese Institutionen sorgen für Nachschub an exzellenten jungen Musikern.
Organisationen wie die ScotsMusicGroup oder das „Adult Learning Project“ widmen sich der Aus- und Weiterbildung von Musikbegeisterten. Der New Makars Trust – u.a. Gifford Lind, Ewan McVicar, Gill Bowman – schickt Liedermacher in Schulen, um mit Kindern gemeinsam zu singen und Lieder zu schreiben, mit großem Erfolg. Auch die TMSA (Traditional Music and Song Association of Scotland) veranstaltet neben Festivals zahlreiche Kurse und Workshops. Fèis Alba ist eine Sommerschule, die von Feisean nan Gaidheal durchgeführt wird, die vor zwei Jahrzehnten auf Barra ins Leben gerufen wurde. Hier können alle im Alter von 16-25 Meisterklassen führender Musiker besuchen und gälische Kultur schnuppern. Ceolas heisst eine Summer School für Musik und Tanz, die in South Uist stattfindet.
Eberhard ‚Paddy‘ Bort
-Scottish Folk Music – Experte und mehrfacher Buchautor
Zusätzliche Informationen
- Webseite von Scottish Folk Revival
Fotocredits: Udo Haafke / Eberhard Bort