Da sich die Grundzüge der Whiskyherstellung nur unwesentlich von denen des Bierbrauens unterscheiden, liegt die Vermutung nahe, dass auch die Braukunst auf eine lange Tradition zurückblickt und eine hohe Kultur entwickelt hat. Zwar gibt es eine erkleckliche Anzahl großer Brauereien, die meist Partner international agierender Unternehmen sind, doch eine Individualität und Eigenständigkeit konnte sich bis vor wenigen Jahren kaum etablieren. Schottische Bierkonsumenten mussten geduldig auf das Erwachen der Brauereien aus einem friedlichen Dornröschenschlaf warten.
Erst mit dem mittlerweile europaweiten Trend der sogenannten, teils stark ökologisch ausgerichteten Mikrobrauereien begann auch in Schottland zur Jahrtausendwende ein Umdenken, welches in der Entstehung und tatkräftigen Reaktivierung von einigen lokalen Brauereien mündete. Eindeutiger und starker Trendsetter war dabei die unabhängige West-Brauerei in der ehemaligen Templeton Teppichfabrik am Glasgow Green, die im März 2006 eröffnete und unter deutscher Leitung steht, somit auch das deutsche Reinheitsgebot salonfähig machte.
Nun wird wieder eine Fülle verschiedenster, sehr individueller Marken angeboten. Teils liefern diese kleinen Brauereibetriebe ihre Produkte nur in die allernächste Umgebung oder in sehr ausgesuchte Lokale. Die diversen Sorten, die Ales, Bitters und Lagers, glänzen nicht nur geschmacklich, auch ihre Namen und Bezeichnungen, einige recht martialisch, sind bemerkenswert: Bitter & Twisted, Old Jock, Teuchter no, Skull Splitter, Kitchen Sink, White Wife, Starboard, Berserker Export oder Seaforth Ale, um nur einige zu nennen.
Ein, wenn auch eher skurriles Ausrufezeichen setzte die Brewdog Brewery aus Fraserburgh mit dem stärksten Bier der Welt, dass 55% Alkohol beinhaltet. Aber auch das gepflegte Pint von Sink the Bismarck mit 46% aus dem gleichen Haus dürfte so manchen Bierkenner vor eine gewaltige Herausforderung stellen. Und auch das älteste, immer noch verwendete Rezept für Bier, das auf die Piktenzeit um etwa 2000 v.Chr. zurückgeht, ist das “leann fraoich“, das Heather Ale der Williams Bros Brauerei.
Fotocredits: Udo Haafke