Der Highland Boundary Fault ist eine geologische Verwerfungslinie, die Schottland von Südwesten nach Nordosten durchquert und die Highlands von den Lowlands abgrenzt. Sie entstand vor Jahrmillionen, als durch Änderungen der Druckverhältnisse im Erdinnern ein Teil der äußersten Erdschicht sich hob und der angrenzende Teil abfiel. Es wird angenommen, dass der Höhenunterschied zum Zeitpunkt des Ereignisses bis zu 4.000 Metern betragen hat. Das höher gelegene Gebiet nördlich der Verwerfungslinie wurde zu den Highlands, während südlich davon die Lowlands entstanden.
Die Highland Boundary Fault Line tritt an der schottischen Westküste bei Lochranza auf der Isle of Arran zutage. Sie durchschneidet die Südspitze der Isle of Bute sowie die Halbinseln Cowal und Rosneath Peninsulas. Ihr weiterer Verlauf Richtung Nordosten lässt sich auf der Landkarte anhand der topografischen Darstellung von Highlands und Lowlands leicht nachvollziehen. Nördlich von Stonehaven erreicht sie schließlich die Nordsee. Die wildromantische Ruine der Kapelle „St. Mary of the Storms“, auf hohen Klippen gelegen, ist ein beliebter Aussichtspunkt. Von hier aus bietet sich ein weiter Blick auf die Steilküste und auf Garron Point, wo der Highland Boundary Fault sich im Meer verliert.
Fährt man von Stonehaven in Richtung Süden, erstreckt sich westlich der A90 eine Hügelkette, die sich jenseits einer flachen Ebene erhebt. Geologisch gehören diese Anhöhen bereits zu den Highlands. Der Landstrich, den man auf der A90 durchfährt, gehört zu den Lowlands. Wer etwas mehr Muße mitbringt, kann auf einer landschaftlich reizvollen Nebenstrecke dem Verlauf des Highland Boundary Faults genauer folgen. Die Fahrt führt von Stonehaven aus durch Felder, Wiesen und geruhsame Ortschaften. Besonders Fettercairn, Edzell und Kirriemuir sind einen Besuch wert. Als Baumaterial findet sich hier oft roter Sandstein, der gerade im südlichen Bereich der Verwerfungslinie häufig vorkommt. In der Gegend hinter Blairgowrie wird es schwieriger, den Highland Boundary Fault nachzuvollziehen.
Außer den landschaftlichen Orientierungsmerkmalen gibt es heute nur sehr wenige sichtbare Zeugnisse der Verwerfung. Kein klaffender Erdspalt gewährt einen Blick in den Abgrund, keine Felswand ragt dräuend in den Himmel. Dafür sorgten geologische und vulkanische Kräfte, die über Millionen von Jahren auf die Erdoberfläche einwirkten. Auch Eiszeitgletscher und Wettereinflüsse hinterließen ihre Spuren, so dass nur das geschulte Auge eines Geologen die Anzeichen für das urzeitliche Geschehen erkennen kann. Die geologischen Beweise für das Phänomen liegen Hunderte von Metern tief in der Erde verborgen.
Dennoch sind die Auswirkungen des tektonischen Großereignisses besonders in der Landschaft der Lowlands auf positive Weise spürbar. Südlich des Highland Boundary Faults – im Central Belt, Angus und dem südlichen Aberdeenshire – hat es fruchtbares Agrarland geschaffen. Die meisten Nahrungsmittel Schottlands werden hier produziert. Die Region ist zudem ein wichtiger Lieferant für das übrige Großbritannien.
Weil die Lowlands sich durch die Verwerfung abgesenkt hatten, entstanden günstige Bedingungen für ihre heutige Infrastruktur. Verglichen mit den Highlands verfügen die Lowlands über mehr Wasserwege und Städte sowie ein dichteres Straßen- und Schienennetz. Als weiterer und äußerst willkommener Nebeneffekt schützen die Highlands die tiefer gelegenen Lowlands sogar vor den atlantischen Stürmen – solange der Wind von Nordwesten bläst!
Martin Sim
(übersetzt von Regina Erich)
Fotocredits: Udo Haafke