Schottland? Wer auf Mallorca von Palma bis Cala Ratjada alles abgefeiert hat, und der Goldstrand in Bulgarien nach drei bis vier Saufreisen die Frage aufwirft, woher das Edelmetall als Namensgeber stammt, denkt vielleicht darüber nach, den etwas anderen Urlaub zu machen. Vielleicht klingt Schottland erst einmal dröge. Nicht die erste Adresse die junge Leute als Urlaubsziel anstreben. Ich verbrachte mit einem Freund einige Tage, hauptsächlich in der Hauptstadt Edinburgh. Die Idee zu dieser Reise fanden wir auf dem Boden einer Whiskyflasche. Die Liebe zum Nationalgetränk war für uns Grund genug, das Land einmal aufzusuchen und zu überprüfen, was es neben der Spirituose und Kilts noch zu bieten hat.
Die anderthalbstunden Flug mit EasyJet von Hamburg nach Edinburgh sind Zeit genug für einen Gin Tonic und eine Bloody Mary, für jeweils schlappe 15€, um sich auf das raue Wetter optimal vorzubereiten. Mit dem Bus geht es vom Flughafen aus weiter ins City Centre der Hauptstadt. Wir kommen vor dem Edinburgh Waverley, dem Hauptbahnhof, an und sind direkt begeistert von der Stadt und dem Blick auf den Castle Rock. Wir müssen allerdings erst noch einmal weiter Richtung Glasgow, was uns zwar vorher als weniger schön beschrieben wurde, allerdings einen Abstecher wert sein soll. Das Ticket von Edinburgh kostet 15 Pfund und die Fahrt dauert nur etwas mehr als eine Stunde. Die 30 Minuten zwischen Kauf des Tickets und Abfahrt des Zuges reichen leider nicht für eine Bestellung bei Burger King. Die gute Nachricht: Das Warten auf den nächsten Zug reicht auf die Minute genau, um die Bestellung am Bahnsteig zu verzehren.
Dort angekommen sind wir überzeugt, dass die Stadt tatsächlich nicht so schön wie Edinburgh ist. Die steilen Straßen rund um die Central Station kommen uns mehr vor, als wären wir in San Francisco gelandet. Das Youth Hostel, in dem wir zwei Betten reserviert haben, liegt nicht gerade zentral und unserem Koffer macht die Straßenlage auch etwas zu schaffen. Wir überschätzen leicht die Länge der Strecke und nehmen nicht die Subway. Im Hostel läuft alles ziemlich unkompliziert. Betten A und B in Zimmer 13, 1. Stock. Wir machen uns gegen 21 Uhr auf in die Stadt, um noch ein, zwei Pint zu trinken und landen in einer Sportsbar mit Livemusik. Die Schlange vor dem Club nebenan ist uns zu lang. Wir bleiben in der Bar. Am nächsten Morgen machen wir uns wenig begeistert von der Stadt schon wieder auf nach Edinburgh. Dieses Mal allerdings nehmen wir die U-Bahn zur Central Station.
In Edinburgh führt unser Weg zum Hostel über die Royal Mile, was uns unser Koffer wieder nicht dankt, aber jeden Meter wert ist. Die Royal Mile ist die lange Straße hinauf zum Edinburgh Castle, in der Old Town, dem historischen Teil der Stadt auf dem Castle Rock. Zur anderen Seite führt sie herunter zum schottischen Parlamentsgebäude. Links und rechts gehen kleine, steile Gassen von ihr ab, die sogenannten Closes. Es ist viel los an diesem Montagmittag. Wir können es kaum erwarten in jedes der unzähligen Geschäfte einen Blick zu werfen, einen Happen zu essen und vor allem die Pubs aufzusuchen.
Links von der Highland Tolbooth Church, heute ein Restaurant und Cafe, genannt >The Hub<, unmittelbar unter dem Castle geht es in die Johnston Terrace. Das Castle Rock Hostel, unser Schlafplatz für die nächsten drei Nächte, liegt links unterhalb des Castles. Wir sind begeistert. An der Rezeption klärt uns ein freundlicher Australier über die anstehenden Abendveranstaltungen auf, die Küche, die jeder nutzen kann, über das Musikzimmer, mit Gitarren und Plattenspieler, das kleine Kino, den Gemeinschaftsraum, wo es jeden Morgen Frühstück für ein Pfund sechzig gibt und Kaffee und Tee rund um die Uhr. Wir sind uns sicher, genau die richtige Adresse für unseren Aufenthalt gefunden zu haben. Eine Etage weiter unten ist unser Zimmer – The Beetle. Betten: Christmas und Stink. Auf dem Flur bügelt ein Langzeitgast gerade Unterhosen. Scheinbar lässt es sich hier aushalten. In unserem 8-Bett-Zimmer machen wir uns kurz mit den anwesenden anderen Reisenden bekannt, suchen danach das Gemeinschaftsbad auf dem Flur auf, streifen noch einmal durch das verwinkelte, aber in jeder Hinsicht einfach nur zum wohlfühlende Hostel und machen uns auf den ersten Punkt unseres Plans abzuhaken: Haggis. Das Nationalgericht, über das man so viel hört, und was man gegessen haben muss, da sind wir uns sicher, sollte es ja an jeder Ecke geben.
Wir wollen in Edinburghs New Town auf der anderen Seite des Princess Street Gardens danach suchen. Einen steilen Close abwärts und 20 Handyfotos später, stehen wir dann vor der Scottish National Gallery of Modern Arts. Wir bleiben nur wenige Tage und wenn uns ein Museum schon vor die Füße fällt, müssen wir ja wenigstens eins aufsuchen, denken wir. Außerdem ist der Eintritt frei. Nein, wir gehen gerne rein und nach einer guten Stunde Aufenthalt ärgern wir uns auch keinesfalls über diesen kleinen Abstecher. Es gibt einiges zu bestaunen über viele Epochen hinweg. Einige Großmeister ihrer Zeit.
Haggis essen wir in der Rose Street Brewery in der New Town. Ein Pub, wie man es sich wünscht. Dazu gibt es einige Craftbiere wie das Innis & Gunn. Uns schmeckt der Schafsmagen gefüllt mit Herz, Leber und Lunge, serviert mit Steckrüben und Kartoffeln. Ein, zwei Bier dazu schaden aber auch nicht. Direkt daneben ist das Mussel Inn Seafood. Unsere Adresse zum Dinner!
Für uns geht es weiter zum Grassmarket – vom Hostel aus keine zwei Minuten. Rechts neben dem Gebäude eine Treppe herunter und schon ist man da. Auf dem ehemaligen Marktplatz der Stadt gibt es heute viele kleine Läden und Pubs. Wir kehren auf ein weiteres Pint im Biddy Mulligans ein. Weiter geht es ins The Last Drop. In beiden Läden treffen wir Leute aus unserem Hostel wieder, dass für diesen Abend ein Pub-Quiz veranstaltet. Wir sind dabei.
Nach einer ordentlichen Portion Muscheln im Mussel Inn, eine klasse Adresse für Seafood-Fans, stehen wir mit 30 anderen vor dem Hostel und machen uns auf den Weg zum Pub-Quiz ins The Globe, eine Bar nahe der Royal Mile. Wir bilden ein Team mit drei weiteren Deutschen, einer Portugiesin und einem Australier. Das Quiz, bei dem über mehrere Runden Fragen zu verschiedenen Themenbereichen gestellt werden, verlieren wir zwar knapp auf dem drittletzten Platz, aber wir haben Leute kennengelernt, mit denen wir gerne noch weiterziehen. Eine Straße weiter in der Cowgate sind zahlreiche weitere Clubs und Bars. Da einer von uns allerdings eine kurze Hose anhatte, und auch nur kurze Hosen im Koffer hatte, war der einzige Laden, der uns Einlass gewährte, das Opium. Ein alternativer Club mit Karaoke-Bar. Die nächste Station für uns war die Stramash Live Music Bar. Jeder kann auf die Bühne gehen und ein paar Lieder schmettern – für uns der perfekte Ausklang eines gelungenen ersten Tages in Edinburgh.
Edinburgh Castle. Am Dienstagmorgen wollen wir früh los zum Castle. Wir haben uns mit dem Australier, genannt Lockie, verabredet. Auf dem Vorplatz schießen wir noch ein, zwei Bilder zur Erinnerung, dann geht es los. Das Castle thront über der Stadt am Anfang der Royal Mile. Ein Haufen alter Steine, schön übereinander gestapelt zu einer sicheren Festung, bietet es vor allem einen wunderbaren Blick über die Stadt. Pünktlich um ein Uhr feuert eine Kanone einen Schuss ab, der über die ganze Stadt hallt. Früher diente es der zeitlichen Orientierung, heute den schaulustigen Touristen. Es lohnt sich auch einen Blick auf die Kronjuwelen zu werfen, erinnert es einen daran, dass es Leute gab, die noch verschwenderischer mit ihrem Geld umzugehen wussten als man selbst auf der Kneipentour den Abend zuvor. Alles in allem kommt man nicht darum herum das Castle zu besichtigen, es prägt das Stadtbild und wer nicht im Castle war, war nicht in der Stadt. Von dort aus erblicken wir auch unser nächstes Ziel: Arthur’s Seat. Wir schlendern die Royal Mile herunter, essen noch etwas im BubbaQ, zu unserer Schande ein amerikanisches Restaurant. Auf unserem Weg die Royal Mile hinunter kommen wir am The Worlds End vorbei. Wir wollen es uns nicht nehmen lassen, hier auf ein Pint einzukehren. Das viele Bargeld verschiedenster Währungen macht uns Hoffnung darauf, dass man auch am Ende der Welt mit etwas Bargeld nicht ganz aufgeschmissen ist.
Arthur’s Seat. Am unteren Ende der Royal Mile stehen wir vor dem schottischen Parlament, und fast am Fuße des Arthur’s Seat. Wir sind beeindruckt. Aber nicht von den angelegten steilen Wegen hinauf. Deshalb nehmen wir den Weg querfeldein. Über Geröll und durch schmale Felsspalten klettern wir herauf bis ganz nach oben. Ein atemberaubender Ausblick in alle Richtungen. Man kann von der Küste, über die Stadt, den Blick bis ins Hinterland schweifen lassen, und wir sind froh, die Mühen nicht gescheut zu haben, diesen Berg zu erklimmen.
Zurück in der Stadt streifen wir noch durch ein paar Souvenirläden. Was mir an Städten wie London mittlerweile ein Gräuel ist, die >vermerchandisde< Kultur in Form von Schlüsselanhängern, Teetassen, Magneten und Big-Ben-Zahnstocherhaltern, ist in Edinburgh wesentlich weniger aufdringlich. Natürlich versucht man auf der Royal Mile möglichst viele Tweedsakkos und Schiebermützen abzusetzen, ich habe gleich am ersten Tag eine gekauft, aber der Souvenirwahn kommt eleganter daher. Und man sieht darüber hinweg, dass es in dem Laden, in dem ich meine Familie mit Rugbyshirts eingedeckt habe, auch Postkarten und Untertassen zu kaufen gibt. Aber natürlich kauft man Untertassen. Zum Dinner gibt es Fish’n’Chips – ein weiteres kulinarisches Muss für uns. Das Highlight aber ist das >Dessert< – frittierter Marsriegel. Dazu gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Es ist warm. Es ist süß. Man sollte es probiert haben. Ein Mal.
Was uns viele Bekannte und Leute aus dem Hostel empfohlen haben, ist eine der sogenannten Ghost Tours. Edinburgh gilt als eine der Städte mit den meisten Schauergeschichten weltweit. Fast jeder Close hat seine eigene. Wir haben gegen Mittag eine Tour gebucht und finden uns vor der St. Giles Cathedral ein. Von dort aus führt uns unser Führer zunächst in eine kleine Gruft mit in einem Wohnhaus. Er erzählt uns von der Vergangenheit dieser verwinkelten Kammern, vom Abschaum, der sich hier herumtrieb und testet unsere Nerven, in dem er das einzige Licht löscht. Minuten vergehen bis er seine Taschenlampe wieder anmacht, direkt vor einem verängstigten Mädchen stehend. Es geht weiter zum Greyfriars Kirkyard. Wir betreten einen abgeschlossenen Teil des Friedhofs, in dem früher Gefangene festgehalten wurden. Unser Führer erzählt uns die Sage vom Mackenzie Poltergeist. Sir George Mackenzie treibe auf dem Friedhof sein Unwesen und einige Besucher hätten physische Zeichen davongetragen, nach dem Besuch des Friedhofs. Für alle, die eine dieser Touren erwägen, möchte ich das Ende nicht vorwegnehmen. Ich empfehle es nur, auch dank des großartigen Führers, einem gelernten Schauspieler.
Destillerien. Der Mittwoch steht ganz im Zeichen des Whisky. Wir haben über Rabbie’s eine Tour zu zwei Destillerien in den Highlands gebucht. Früh morgens geht es los. Ein Tourguide erzählt uns in feinstem schottischen Dialekt Geschichten aus der Region. Die erste Station ist Glengoyne, eine der ältesten Destillerien überhaupt und nach wie vor in Privatbesitz. Zum Einstieg gibt es natürlich schon mal eine kleine Kostprobe, danach werden wir durch die verschiedenen Phasen der Produktion geführt und anschließend wieder mit einem Whisky verköstigt. Besonderheit dieser Destillerie ist, dass sie genau an der Grenze zwischen den Highlands und Lowlands liegt, zwei unterschiedliche Whisky-Regionen.
Lunch essen wir in einem kleinen Lokal am Loch Lomond, bevor es weitergeht zur Deanston Destillerie, einer relativ modernen Brennerei, einer alten Baumwollspinnerei, die in den 1960er Jahren umgewandelt wurde. Auch hier werden wir durch die Produktion geführt, und bekommen natürlich ein, zwei Gläser gereicht. Slàinte mhath! (Zum Wohl).
Warum also Edinburgh für junge Leute? Weil man ständig junge Leute aus aller Herren Länder trifft! Weil das Nachtleben immer und für jeden Geschmack etwas zu bieten hat, ob man Trinkspiele, die man nicht versteht, mit einer Gruppe Japaner, Italiener und Polen spielt. Den ganzen Abend Livemusik hört, oder in einen Club feiern geht. Man trifft in einer wunderschönen, faszinierenden Stadt Leute, zu denen man direkt Anschluss findet, kann mit ihnen alles zu Fuß erkunden und dabei noch einiges über die Geschichte des Landes und der Stadt lernen, ohne dass man sich verlaufen könnte oder von irgendetwas getrieben wäre. Es ist immer etwas los, aber man ist nie gestresst.
Der Rest des Landes ist von dort aus wunderbar zu erreichen, ob man in die Highlands fährt, um Whisky zu trinken, oder wie viele in der herrlich unberührten Natur zu wandern oder man einen kleinen Abstecher nach Glasgow macht. Man fühlt sich einfach nur rund um wohl. Alles in allem ist Edinburgh auch bezahlbar. Eine Nacht im Hostel hat uns gerade einmal etwas mehr als 10 Pfund gekostet. Wer einen Studentenausweis besitzt, sollte den auf jeden Fall mitnehmen. Das Essen ist etwas teurer als in Deutschland, aber nicht unverschämt.
Schottland, gerade Edinburgh, ist jede Minute wert, die man dort verbringt.
Julius Herzog
Fotocredits: Julius Herzog / Henning Kiefer