Mein erster Besuch in Schottland datiert zurück auf das Jahr 1993. Es war Mitte September und die knapp einwöchige Reise drehte sich um Golf im Süden des Landes. Sechs Tage der Tour, die vom Scotts View über Dryburgh Abbey und Hawick bis nach Arran führte, blieben überwiegend verregnet. Das Klima präsentierte sämtliche verfügbaren Facetten von Regen, der sich derart ungebührlich gebärdete, dass überraschenderweise selbst hartgesottene Schotten abrupt ihren gepflegten Rasensport einstellten und das heilige Grün fluchtartig in Richtung Clubhaus verließen, um sich am 19.Loch mit einem guten Single Malt vom Schrecken zu erholen. In den wenigen, sonnigen Minuten dieser Zeit aber konnte ich es schon erahnen, schon spüren, dieses einzigartige, dieses besondere Licht, diese sehr speziellen Farben und die plötzlich, unvergleichliche Klarheit des Himmels. Zauberhafte Wölkchen zogen gemächlich über die Landschaft, die von sattem Grün geprägt war, um nur kurze Zeit später zu monströsen, düsteren Wolkengebilden zu kumulieren, sich zu entladen und anschließend wieder unvorstellbare Weite präsentieren.
Kontraste allenthalben, die es mit der guten alten analogen Fototechnik zu bewältigen galt. Der Diafilm war jedoch zumeist in der Lage hier gute Ergebnisse zu liefern, auch wenn die Optik oft von störenden Tropfen oder Feuchtigkeit befreit werden musste. Vor allem der Hintergrund, der oft von den dräuenden Wolkenungetümen beherrscht wurde, sorgte für eine tiefe Dunkelheit, vor der die Farben noch stärker zu leuchten schienen. Phänomene, die auch heute noch die Fotografie in Schottland begleiten und besondere Schnelligkeit, Spontaneität oder eben viel Geduld erfordern bis sich die gewünschte Stimmung – hoffentlich – wieder einstellt. Vergleichbar mit nur wenigen anderen Regionen in der Welt ist der Fotograf gerade in Schottland viel mehr Lichtbildner im eigentlichen Sinn des Wortes und des Begriffes.
Zeit lassen, Zeit nehmen sollte das oberste Credo für die ambitionierte Fotografie sein, für die eine genaue Beobachtungsgabe und die Fähigkeit Dinge optimal zu positionieren unbedingte Voraussetzung sind. Auch wenn die digitale Generation heute schlicht viel mehr Aufnahmen macht, in der Hoffnung eines davon könnte verwendbar sein. Leider endet das zunehmend in einer fortgesetzten Oberflächlichkeit und einer unüberschaubaren Bilderflut, aus der sich das wirklich gute Bild wegen der bunten Quantität fast nicht mehr abheben kann. Schottland, so habe ich in den letzten Jahren auf vielen Reisen durch viele Gebiete, Regionen, Städte und Dörfer des Landes gelernt, vermag zu jeder Jahreszeit zu inspirieren, zu überraschen. Und dies nicht nur im Hochland oder an den hinlänglich bekannten Sehenswürdigkeiten. Das Wechselspiel aus Licht und Schatten, die Kargheit der vermeintlich unscheinbaren Natur, die plötzlich dramatisch zu leuchten beginnt und kaum glaubliche Farbigkeiten hervorbringt, all dies wirkt nicht selten nahezu überwältigend. Schottland, ein Land optischen Hochgenusses.
Udo Haafke
-Diplom Foto-Designer und Journalist
Zusätzliche Informationen
- Webseite von Udo Haafke
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Fotocredits: Udo Haafke