Es sieht künstlich aus, ist leuchtend orange. Es riecht wie
ein fruchtiges Kaugummi mit einem Aroma zwischen Erdbeere und Apfelsine,
es ist weit weniger süß als der Geruch vermuten lässt. Und es schmeckt
nach… ja, irgendwie aromatisiert, fruchtig, sehr prickelnd wie
Sodawasser, ein wenig herb im Abgang und auch, vor allen Dingen, Durst
löschend. Zudem sieht es aus wie klare Orangenlimonade und könnte rein
optisch auch als Kinder-Whisky durchgehen. Vielleicht liegt das
Geheimnis ja gerade in der knallig orangenen Farbe, die schon von Weitem
Aufmerksamkeit erregt, wenn man sich nur einem Automaten oder einem
Kühlregal mit Erfrischungsgetränken in Schottland nähert.
Das
Geheimnis des Erfolges des schottischen Kultgetränkes mit dem schwer
auszusprechenden Namen Irn Bru. Allein der Blick auf die Liste der
Inhaltsstoffe lässt ein klein wenig schaudern: da werden
Konservierungsstoffe aufgeführt und ein Farbstoff mit dem klangvollen
Namen Sunset Yellow, Zucker und Aromastoffe, unter denen auch Koffein zu
finden ist. Doch die genaue Rezeptur ist wie beim weltweit führenden
Colaprodukt strengstens unter Verschluss und wird nicht verraten. Der
Hersteller spricht in seiner Werbung von einem leicht zitrusartigen
Geschmack. Dies jedoch wird beim Verbraucher, ebenso wie viele der
manchmal etwas provokanten Werbespots, durchaus kontrovers diskutiert,
denn die offensichtliche Fülle der Aromen empfindet beinahe jeder Gaumen
ein klein wenig anders.
Seit 1901 wird das Erfrischungsgetränk
produziert. Es hat seinen Ursprung wohl auf Grund der Tatsache, dass
beim schweißtreibenden Umbau der Glasgower Central Station nach einem
geeigneten Durstlöscher für die Arbeiter an der mächtigen
Stahlkonstruktion gefahndet wurde. Die braven Werktätigen tranken zuvor
zumeist Bier, um den enormen Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Dies
jedoch hatte nicht unbedingt positiven Einfluss auf ihre Effektivität.
So ersann A.G.Barr, der bereits seit 1875 Limonaden in der Nähe von
Falkirk herstellte, eine Alternative zum Gerstensaft, natürlich ohne
Alkohol, wobei man wohl sehr bewusst die kräftige Farbigkeit wählte, die
sowohl eine intuitive Nähe zum Bier als auch zum Whisky assoziierte.
Zunächst
namenlos wurde es später als Iron Brew bezeichnet, um auf die
ungewöhnliche Herkunft hinzuweisen. Dieser Name durfte nach 1946 aber
nicht mehr benutzt werden, da die quietschbunte Limonade ja nachweislich
nicht einem Brauprozess entstammt. Kurzerhand beschloss die
Geschäftsleitung also die Schreibweise zu ändern. Und zwar in die
phonetische Aussprache des Glasgower Scots-Dialektes, des eigenwilligen
Glaswegian.
Über viele Jahrzehnte gelang es Irn Bru die
amerikanische Softdrink-Konkurrenz bei den Verkaufszahlen in Schottland
hinter sich zu lassen. Erst seit Kurzem muss es sich – immer noch knapp –
mit dem zweiten Rang begnügen. Gleichwohl darf sich die Firma Barr
dafür geadelt fühlen, dass der amerikanische Coca Cola-Konzern
ernsthafte Überlegungen erwägt, diesen hartnäckigen Wettbewerber
aufzukaufen. In Großbritannien liegt Barr’s Limo, die auch zuckerfrei
und in zwei weiteren Variationen erhältlich ist, hinter den beiden
Cola-Riesen auf Platz drei. Und Irn Bru, das auch in Mixgetränken
Verwendung findet und sehr gut gegen einen Kater nach durchzechter Nacht
sein soll, erfreut sich internationaler Beliebtheit, so bekommt man die
farbenfrohe Dose auch in Russland.
Kult wie das Getränk ist auch
seit mittlerweile sieben Jahren der Werbespot der Firma Barr mit dem
singenden Schneemann. Für viele Glaswegians beginnt die Weihnachtszeit
erst, wenn dieser Spot erstmals über die Bildschirme flimmert.
Zusätzliche Informationen
- Webseite von Irn Bru
Fotocredits: Udo Haafke