Alles begann etwa zur Jahrtausendwende mit einer täglichen Episode in der Tageszeitung „The Scotsman“, die der damals schon durch seine Kinderbücher, Romane und Krimis bekannte und gerühmte Alexander McCall Smith beinahe eher nebenbei verfasste und dort veröffentlichte. Die fiktive Fortsetzungsgeschichte spielt im bürgerlichen Edinburgh und handelt von den Bewohnern des Hauses mit der Nummer 44 im Stadtteil New Town. Haus und Straße existieren wirklich, die beschriebenen Figuren und Charaktere sicherlich auch – nur wahrscheinlich nicht unter dem Namen, den McCall Smith ihnen gegeben hat.
Die Geschichten handeln von Schotten wie Du und ich, mit Ängsten, Träumen, Hoffnungen und Schicksalsschlägen. Jung und alt sind auf den Haus-Etagen verteilt und leben ihr Leben, an dem der Autor den Leser teilhaben lässt. Sie treffen sich, im Haus und auf der Straße, im Museum, in der Schule, sie gehen ihrer Arbeit nach, verbringen ihre Freizeit, fahren fort, ziehen aus, ziehen um. Sie streiten sich und lieben sich. Es ist der typische Edinburgher Alltag, den McCall Smith beschreibt und der viele realistische Charakterzüge der Protagonisten präsentiert, welche wiederum durch ihre leichte Überzeichnung, durch eine gewisse Skurrilität, einen ganz besonderen Reiz ausüben und süchtig nach Fortsetzung machen.
Was wie die geschriebene Form einer der verhasst-geliebten Fernseh-Dokus klingt, hat in seiner sensiblen Feinsinnigkeit wesentlich mehr Tiefgang. Exzentrik wie Einfalt der Beteiligten werden süffisant, humorvoll augenzwinkernd und wohl formuliert in den Büchern dargestellt. Auch politische Ansichten und soziale Themen werden nicht ausgespart, Vorurteile geschürt und verworfen, und repräsentieren so ein Spiegelbild des städtischen Lebens in der schottischen Hauptstadt. Es sind kurzweilige Geschichten, die man nebenher lesen kann, die Lust machen und neugierig auf das kommende Kapitel. Man leidet mit den Hauptdarstellern, freut sich mit ihnen, man kritisiert und kommentiert in Gedanken ihre Handlungen.
Kritiker unterstellen zuweilen fehlende Spannungsbögen und vermissen inhaltliche Tiefe, doch scheint genau das der Grund für den Erfolg zu sein. Die vermeintlich langweilige Beliebigkeit reizt und unterhält den Menschen genauso wie plötzlicher Ruhm, der ebenso plötzlich wieder vorbei sein kann. Letztlich dient ein Buch ja in erster Linie der Unterhaltung. McCall Smith liegt es fern zu polarisieren und zu provozieren. Immer nur soweit es seine Figuren, der jeweilige Charakter zulassen. Die einzelnen Episoden wurden zu mittlerweile sechs Büchern mit folgerichtig jeweils etwa 100 Kapiteln zusammengestellt, die, wie viele andere literarische Werke des Autors, zudem in Übersetzung in vielen weiteren Sprachen erhältlich sind.
Fotocredits: Udo Haafke