Ende Juli vollendete Elliott Erwitt sein 90. Lebensjahr. Erwitt
gehört zur großen alten Garde der Magazinfotografie, die eng mit der
amerikanischen Bildagentur Magnum Photos verbunden ist und in der Zeit
nach dem 2. Weltkrieg höchst ambitioniert und mit ungebrochenem
Idealismus den Bildjournalismus manifestierte. Der in Paris geborene
Amerikaner erlangte besondere Bekanntheit durch seine
Schwarz-Weiß-Fotos, die ihre Sujets nicht selten mit einem Augenzwinkern
beleuchtet. Ebenso hintergründig wie humorvoll beobachtet er die
Menschen in ihrem gewohnten Umfeld und schafft es immer wieder, den
besonderen Augenblick einzufangen, der viel mehr auszusagen vermag als
ein schlichtes Porträt. Darüber hinaus hat er ein großes Faible für
Hunde, denen er mehrfach in Büchern und Bildbänden huldigt.
Hunde
und Menschen spielen auch in dem jüngst im teNeues Verlag erschienenen
Bildband »Elliott Erwitt´s Scotland« eine maßgebliche Rolle. 2012 machte
sich der nimmermüde Lichtbildner mit seiner Kamera und
Schwarz-Weiß-Filmen auf den Weg nach Schottland, um das Land und seine
Menschen auf seine unnachahmliche Art und Weise zu porträtieren. Und so
findet sich auf dem Titelbild keines der bekannten
Schottland-Klischeemotive sondern vier aufgeweckte Jagdhunde, die ihrem
Einsatz entgegen hecheln. Später im Buch findet sich eine kleine
Bildstrecke zu den Tieren. Thema ist hier der Beginn der traditionellen
Moorhuhnjagd, einem offensichtlich gesellschaftlich bedeutsamen
Ereignis.
Fotos in Schwarz-Weiß wirken angesichts des
digitalisierten 21. Jahrhunderts ein wenig altbacken. Den Bildern fehlt,
rein technisch betrachtet, meist die knackige Schärfe, dafür umgibt sie
die atmosphärisch wirkende Struktur des Filmkorns, das Lichtstimmungen
unterstreicht und hervorhebt. Erwitt beherrscht dies jedoch genauso wie
den kreativen Umgang mit Schärfe und Unschärfe und setzt dies gern in
seinen sorgfältig gewählten Motiven ein. Dabei verlässt er sich auf
seine Intuition und orientiert sich in keiner Weise an hinlänglich
Bekanntem. So begibt er sich beispielsweise zum Glenfinnan-Viadukt, aber
fotografiert es nicht von oben mit dem dampfenden Personenzug – wie es
gemeinhin üblich ist – sondern von der Seite. Er nimmt dem Bauwerk damit
die Monumentalität und staffelt es geschickt in die Landschaft zwischen
Bäumen und dahinter aufsteigender Bergwelt.
Manchmal wirken die
Bilder etwas dunkel, was ihnen eine gewisse Mystik verleiht und den
Betrachter zu noch genauerem Hinsehen zwingt, ihn zuweilen etwas ratlos
und fragend zurücklässt. Im Gegensatz dazu sollte man die Porträts,
jedes für sich, auf sich wirken lassen, erzählen sie doch Geschichten
über die Menschen, ihr Leben und ihr Tagwerk, geben damit Einblick in
das wirkliche Schottland und machen auch nachdenklich. Erwitt verzichtet
bewusst darauf Problemzonen anzusprechen, die es in den schottischen
Städten durchaus gibt, aber eben in sein persönliches Schottlandbild
nicht hineingehören. Für wiederholtes Schmunzeln sorgen auf den Fotos
immer wieder die Vierbeiner, der Künstler selbst, der seine Füße
entspannt im Hotelzimmer porträtiert, umrahmt vom Baldachin seines
Himmelbettes und beobachtet vom Bildnis einer adligen Dame an der Wand,
oder die Nymphe, die unbekleidet am malerischen Strand auf der Isle of
Eriskay in die Fluten steigt.
Das Vorwort zum opulenten Werk verfasste Alexander McColl Smith, der seine tiefe Bewunderung für die fotografische Sensibilität Elliott Erwitts ausdrückt und in den Bildern genau das Schottland wiederfindet, das er selbst so schätzt, kennt und liebt. Dieser Text findet sich zudem in Englisch und Französisch. Die recht ausführlichen Bildlegenden am Ende des Buches sind ausschließlich in englischer Sprache verfasst und alle abgebildeten Personen werden namentlich erwähnt. Elliott Erwitt´s Scotland ist ein besonderes Buch, das ein intensives Schottlandbild entwirft.
Elliott Erwitt’s Scotland – mit einem Vorwort von Alexander McCall Smith, teNeues Verlag, 27 x 36 cm, 160 Seiten, Hardcover, ca. 150 Duplex-Fotografien, Texte in Deutsch, Englisch, Französisch, Preis: EUR 70, ISBN: 978-3-96171-136-9
Zusätzliche Informationen
- Link zum Buch »Elliott Erwitt’s Scotland«
Fotocredits: 2018 Elliott Erwitt/Magnum Photos