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Konkurrenzkampf Glasgow – Edinburgh

von Udo Haafke

Die beiden größten Städte in Schottland – Glasgow und Edinburgh – eint schon seit einer gefühlten Ewigkeit eine innige, gegenseitige Abneigung. Die Besucher der beiden gut 60 Kilometer voneinander entfernten Städte merken davon eigentlich nichts. Lediglich hin und wieder eskaliert die Feindschaft, geistern provozierende Artikel durch die schottischen Gazetten, die jeweils entweder den einen oder den anderen abqualifizieren, was der entsprechend Geläuterte möglichst in gleicher Qualität erwidert. Der Ursprung dieses Konfliktes mag vielschichtig sein und immer neue Wendungen genommen haben, ein tatsächlich belegbarer Grund liegt demnach bereits über 350 Jahre zurück, wie Professor Robert Crawford von der Universität in St. Andrews nun festgestellt hat. Vielleicht war es die erste, offen ausgetragene Differenz zwischen zwei Städten, wie sie mittlerweile in der ganzen Welt zu finden ist.

Nach Prof. Crawfords Forschung könnte ein simpler Laib Brot der Auslöser der immer noch andauernden Rivalität gewesen sein. Die Stadtoberen Glasgows monierten 1656 bei der lokalen Bäckerinnung die Beschaffenheit der produzierten Backwaren, die augenscheinlich überwiegend nicht durchgebacken schienen. Die braven Handwerker waren ob der harschen Kritik brüskiert und verletzt, da sie sich in ihrer Ehre angegriffen fühlten. Derart aufgewühlt und nervös brachten schließlich zwei Bäcker aus Edinburgh das Fass zum Überlaufen, indem sie der Stadt die einfache Lösung anboten, gerne Brot für Glasgow in hoher Qualität zu backen, zu einem Standard, der in Edinburgh üblich sei. Damit war der Fehdehandschuh geworfen, die dünnhäutigen Glaswegians waren tief in ihrem Stolz getroffen, denn dieser verbot ihnen Hilfe vom Nachbarn anzunehmen.

In der heutigen Zeit sind es vornehmlich die Wirtschaft, die Politik und der Sport, nicht zuletzt aber auch Kultur und Tourismus, in denen sich der Konkurrenzkampf äußert. Man wetteifert um höhere Besucherzahlen, um die besseren kulturellen Ereignisse und Angebote. Ein Wettbewerb, der für alle Beteiligten durchaus fruchtbare Resultate bringt. Und jeder, der beide Städte einmal besucht, wird bestätigen, dass sie unterschiedlicher im Charakter kaum sein könnten. Und wird seine eigene Entscheidung treffen, welche ihm denn nun besser gefällt. Nur wenige können von sich mit fester Überzeugung behaupten, beide gleichermaßen zu favorisieren. Man hasst oder liebt die eine oder die andere.

Edinburgh, „the Auld Reekie“ (‚die alte Verräucherte‘), wie Robert Louis Stevenson seine Heimatstadt wegen der qualmenden Kamine und der rußigen Fassaden umschrieb, war schon immer der Platz für das gepflegte Bürgertum, das großen Wert auf innere Geschlossenheit und seine eindrucksvolle Geschichte legte. Diese gepflegten Traditionen und die gelebte Historie zwischen Castle, Royal Mile und Holyroodhouse werden mit einer gewissen Arroganz zu Markte getragen, die zuweilen etwas Unbehagen auslöst und auch als Starrköpfigkeit interpretiert werden könnte. Auch der Hang zum übertriebenen Perfektionismus erweist sich so manches Mal als hinderlich.

Glasgow, „the Dear Green Place“, das allein im Zentrum um ein gutes Drittel mehr Einwohner hat als die Hauptstadt insgesamt, ist weit davon entfernt, eine grüne Oase zu sein, trotz vieler schöner Parks und Anlagen. Die ehemalige Arbeiterstadt hat den Umbruch vom Industriemoloch zu einer modernen Metropole mit Zukunft geschafft, die sich nicht von ihrer Vergangenheit hat einengen lassen. Ihre Weltoffenheit und sprichwörtliche Freundlichkeit stand ihr dabei als ungeschliffenem Diamanten hilfreich zur Seite, ungeachtet so mancher architektonischer Unzulänglichkeiten, die gern kritisiert wurden und werden, wenn man einmal die genialen Meisterwerke Charles Rennie Mackintoshs außer acht lässt.

Letztlich bleibt die Erkenntnis, dass beide trotz aller Gegensätze ohne einander nicht wirklich auskommen, denn sie sind beide wichtig und bedeutsam für eine klare Definition Schottlands.

Udo Haafke

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Fotocredits: Udo Haafke

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