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Alternative Lebensform

von Udo Haafke

Abqualifiziert als Spinner und Verrückte wurden die drei Gründer der Findhorn Foundation in Moray, als sie im November 1962 nahe des Dörfchens Findhorn, 7 km nördlich von Forres und in der Nachbarschaft des britischen Luftwaffenstützpunktes Kinloss ihre Zelte aufschlugen. Die Aussteiger aus der Gesellschaft, die gleichzeitig ihre Arbeitsstelle im Cluny Hotel verloren hatten (weil sie an die Existenz von UFOs glaubten), bezogen zunächst mit ihren Kindern ein paar Campingwagen und starteten eine zunächst höchst belächelte, alternative Lebensform. Hintergrund des Ausstiegs war zudem eine spirituelle Erscheinung Eileen Caddys, die ein Zwiegespräch mit Gott gehabt haben will, der ihr diesen Weg voraussagte. Sie lebten nahezu autark und erregten, abgesehen von ihren gewöhnungsbedürftigen Glaubensbekundungen, durch die Kultivierung ungewöhnlich großen Gemüses die Anteilnahme der Öffentlichkeit. Selbstverständlich begründeten sie ihre Zuchterfolge mit der Zuneigung und Mithilfe durch die höhere Macht, jedoch lag wohl eine eher nüchterne, wissenschaftliche Ursache vor, nämlich der sehr fruchtbare Boden in Kombination mit einem sehr positiven Mikroklima.

Mit der Zeit kamen weitere, ähnlich anders Denkende zu der Gruppe hinzu. Hippies, die 68er-Bewegung sahen hier eine geeignete Basis. Aber: sie hingen nicht herum und konsumierten Drogen, wie gemeinhin angenommen wurde. Sie arbeiteten diszipliniert und organisierten sich ihre Lebensgemeinschaft mit Denkansätzen, die ihrer Zeit weit voraus waren. Diese Kreativität und Standhaftigkeit sorgte dafür, dass Findhorn im Gegensatz zu vielen ähnlichen Projekten überlebt habt. Heute, an ihrem 50. Geburtstag, besteht die Findhorn Foundation überwiegend aus einem sogenannten Ecovillage mit 61 Häusern und einer Universal Hall. Allesamt in moderner Holzhausarchitektur, errichtet nach den aktuellsten ökologischen Erkenntnissen hinsichtlich Energieverbrauch und Umweltschutz. Immer noch predigt man Frieden auf der Welt und etwas abgedrehte spirituelle Philosophien, doch hat man sich zwischenzeitlich etabliert. Gehört zum Establishment, wie die Wahl der Autos vor den Häusern unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Solarzellen auf den Dächern, Windturbinen sorgen für saubere, unbedenkliche Energie, komplett organisch ausgerichtete Gärten und Treibhäuser für gesunde Lebensmittel. Die früh installierte, geniale Technologie zur Abwasser-Aufbereitung war richtungsweisend für ganz Europa.

Während des ganzen Jahres werden Workshops und Seminare abgehalten. Sie drehen sich um alternative Energien und natürliche, unkonventionelle Lebensformen. Seit 2006 befindet sich hier ein Trainingszentrum der Vereinten Nationen zu Nachhaltigkeit und Bewahrung der Umwelt. Was einst in einem blauweißen Wohnwagen begann, der noch immer im Zentrum der Anlage steht, hat nun große wirtschaftliche Bedeutung für die gesamte Region. Frei nach dem Motto: man muss nicht unbedingt verrückt sein, nur ein wenig außerhalb der üblichen Bahnen, wenn man etwas Neues aufbauen möchte. Und nur ein Schelm würde behaupten, dass hier die neuzeitliche Quelle der aktuellen schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu finden ist.

Fotocredits: Findhorn Foundation

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